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Der Storch vor der Burg
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besetzter Storchenturm
Musikverein Ziesar

Wer erinnert sich?

Stadt Ziesar, den 22. 05. 2012

Es gibt viele Ziesaraner, die mit ihrer Art des Lebens das Stadtbild in den 70er und 80er Jahren prägten. Ob es Frau Häfner aus der Schloßstrasse war, die Rentnerin, die vor dem ehemaligen Bekleidungskaufhaus an der Ecke Breiter Weg/Schloßstraße auf der grünen Bank saß und eigenwillig gekleidet war oder die kleine Rentnerin mit dem Kosenamen „Fanny“ aus dem Wallgraben, der wir als Kinder magische Kräfte nachsagten und von der damals folgendes behauptet wurde: Sie saß im Wohnzimmer in ihrem wirklich kleinen Haus, welches aus dem Mittelalter stammen könnte und hatte ihren Mann auf den Boden geschickt. Als er oben war, soll plötzlich die Decke nachgegeben haben und er saß nun auch im Sessel, worüber sie sich sehr wunderte und ihn fragte, was er hier mache, er sollte doch etwas von oben holen.

 

Aber einer, den jeder kennen muss, ist „Pitte Meier“, liebevoll so genannt, weil er es war - liebevoll zu den Kindern. Jedes Jahr zum Kindertag hatte er sein Pferd gestriegelt, den Wagen geschmückt und hielt vor dem Kindergarten. Dann hieß es aufsteigen und alle Kinder hatten ein Leuchten in den Augen. Mit Keksen, Brause, geschmierten Stullen und belegten Brötchen unternahmen die Kinder eine Tour durch Ziesar und Umgebung. Er ließ sein Pferd langsam laufen, lehnte sich zurück, hielt die Zügel lässig in der Hand und sog genüsslich an seiner Zigarre, seinem Markenzeichen. Ohne die ging er gar nicht aus dem Haus. Hin und wieder kroch der Qualm auch in die Nasen der hinter ihm sitzenden Kinder. So gemütlich wie er war konnte er aber auch schimpfen und wedelte dann mit seiner Peitsche oder drohte mit der Faust. Man sah ihn einmal mit einer Fuhre Stroh auf dem Hänger, ein anderes Mal mit einigen Baumstämmen oder geschlagenem Holz.

Doch vor allem war er der Herr auf seinem Hof! Dort, wo meist an einem Mittwoch im Monat viele Kinder mit Handwagen hinkamen, um ihre gesammelten Altstoffe bei „Pitte Meier“ zu Geld zu machen, welches dann in die Klassenkasse gesteckt wurde. Die Größe der Gläser war maßgeblich für den Preis, von 5 bis 20 Pfennig zahlte er aus. Das Beste war seine Waage, der Boden aus Holz, ein Arm mit einer Schubstange für das kleine Gewicht sowie andere Gewichte in verschiedenen Größen. Darauf wurde das Altpapier gewogen und er war sehr genau, die Zeiger mussten exakt austariert sein. Ich erinnere mich noch an die Güllegrube, die den Hof „zierte“. Überall standen Gläser auf dem Hof, unter dem Vordach lagen die Packen Altpapier und weiter hinten lag der Schrott, den man auch bei ihm abgeben konnte. Jedes Kind freute sich, wenn „Pitte Meier“ einige Mark auszahlte. Es war jedesmal ein Erlebnis. Dieser Mann war ein Original, liebenswürdig, nett wie der Opa von nebenan. Sein Domizil war die ehemalige Kneipe in der Brandenburger Straße, seine Enkelin meine damalige erste Freundin.

Als er dann nicht mehr war, fehlte auch im Stadtbild Ziesar ein Teil. Ich erinnere mich gern an ihn.

 

Mario Jahn „Möhre“

 

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